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Christian Müller 1784

Informationen

Datum: 1784

Herkunft: Bern

Seriennummer: ---

Dieses ungewöhnliche Schweizer Tafelklavier wurde 1784 von Christian Müller in Bern gefertigt. Es zeigt einige Besonderheiten und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Prototyp für Muzio Clementis (1752 – 1832) Patent für die „Bridge of Reverberation“ welche ca. 25 Jahre später in London eingeführt wurde.

Der Korpus des Instrumentes und die passenden Beine sind aus Kirschholz und Mahagoni gefertigt und mit Intarsien verziert. Die Untertasten sind mit schwarzem Ebenholz und die Obertasten mit Knochen belegt. Das Vorsatzbrett ist in einem Oval signiert mit:

„Christian Müller

in Bern”

Weiterhin gibt es im Inneren auf dem Korpusboden eine Signatur mit dem Herstellungsjahr „1784“. Die Hämmerchen sind mit Leder bezogen und das Instrument ist zweichörig besaitet. Bei der Mechanik handelt es sich um eine einfache single action. Weiterhin verfügt das Tafelklavier über 4 hölzerne Pedale für Dämpfungsaufhebung, Lautenzug, Moderator und „harmonischen Schweller“. Dieser „harmonische Schweller“ stellt eine absolute Neuheit dar, die es bisher bei anderen Tafelklavieren aus der Zeit nicht gibt. Mittels des Pedals drückt sich ein zweiter Steg auf den normalen Steg und verändert somit die Resonanzbodeneigenschaften. Als Effekt entsteht ein Klang, der vollkommen frei von Bässen ist und eine Art Crescendo-Decrescendo-Effekt kann generiert werden. Dieses System lässt sich bisher bei keinem weiteren Instrument finden außer bei wenigen Instrumenten von Muzio Clementi aus den 1820er Jahren. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Christian Müller der Erfinder dieser Klangveränderung ist.

Muzio Clementi hielt sich im Sommer 1784 in Bern auf. (vgl.: Cramer, Carl Friedrich: „Nachricht von dem Clavierspieler Clementi, Bern im October 1784. IN „Magazin der Musik“ Bd. II. Hamburg: Musicalische Niederlage 1784 – 1785, 365-373; hier: 366, 368 und 371.)

Es ist kaum etwas über seinen Besuch in Bern bekannt, jedoch ist anzunehmen, dass er Christian Müller kennen gelernt haben muss und es wahrscheinlich zu einem oder mehreren Treffen kam, bei dem Clementi das neue System kennen lernte.

Clementi, der ein hervorragender Geschäftsmann war, kopierte das System und baute es ab 1821 in seine eigenen Instrumente mit dem Namen: „Harmonic Swell – Bridge of Reverberation“. (vgl.: harmonic swell 1821; patent no. 4542, R. Harding, S. 342; R. Burnett S. 169–170.)

 

Muzio Clementi - Harmonic swell - Bridge of Reverberation - Eric Feller Collection (1)

Muzio Clementi - Harmonic swell - Bridge of Reverberation - Eric Feller Collection (2)

Muzio Clementi – Harmonic swell – Bridge of Reverberation – Eric Feller Collection (2)

Es ist anzunehmen, dass Christian Müller 1821 schon verstorben war. Dies ermöglichte Clementi das System vollkommen „neu“ zu erfinden (besonders im Hinblick auf etwaige Patentrechte). Wahrscheinlich hatte sich das System im Schweizer Raum nicht durchgesetzt und nur wenige Instrumente existierten. Muzio Clementi hatte die Chance mit seinem großen Unternehmen in den 1820er Jahren einen größeren Absatz zu generieren, was Müller als „kleinem“ Instrumentenbauer nicht gelang.

 

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Leider gibt es bislang keine Aufzeichnungen über Christian Müller. Otto Rindlisbacher konnte über Müller keine biographischen Daten finden. Lediglich ein Instrument im Historischen Museum in Basel – Sammlung alter Musikinstrumente ist erhalten. Es ist mit 1801 datiert und trägt die Signatur auf dem Resonanzboden: „Christian Müller / Orgel Instrumentmacher / in Bühler 1801„. Es ist anzunehmen, dass es sich um denselben Instrumentenbauer handelt und er in seiner Anfangszeit im Berner Raum aktiv war und dann später nach Bühler ging. Wahrscheinlicher jedoch ist die These, dass es sich um seinen Sohn handelt, der den gleichen Vornamen trug.

 

 

Quellen:

  • Burnett, Richard: „Company of pianos”, Finchcocks Press 2004.
  • Cramer, Carl Friedrich: „Nachricht von dem Clavierspieler Clementi, Bern im October 1784. IN „Magazin der Musik“ Bd. II. Hamburg: Musicalische Niederlage 1784 – 1785, 365-373; hier: 366, 368 und 371.
  • Harding Rosamond E. M.: „The Pianoforte ― its history traced to the Great Industrial Exhibition of 1851”, Gresham Books 1978.
  • Rindlisbacher, Otto: „Das Klavier in der Schweiz. Klavichord – Spinett – Cembalo – Pianoforte. Geschichte des schweizerischen Klavierbaus 1700-1900“, Bern Francke 1972.

© Eric Feller – Early Keyboard Collection – Januar 2019

 

Christian Müller, Bern 1784 - Eric Feller Collection (4)

Christian Müller, Bern 1784 – „Harmonischer Schweller“ – Eric Feller Collection (4)

 

Länge: 155 cm

Breite: 54 cm

Höhe: 24,5 cm

Umfang: 5 Oktaven (FF – f3)

Mechanik: single action

Pedale: 4 Pedale - Dämpfungsaufhebung, Lautenzug, Moderator, „harmonischen Schweller“

Signatur: "Christian Müller
in Bern”