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Die Klaviermanufaktur Collard & Collard

Frederick William Collard by Charles Turner, after James Lonsdale - National Portrait Gallery London

Die Firma Collard & Collard gehörte zu einer der erfolgreichsten Klaviermanufakturen im 19. Jahrhundert in England und wurde im Jahr 1832 von den beiden Brüdern Frederick William and William Frederick Collard gegründet. Beide waren zuvor schon in Partnerschaft mit dem Komponisten und Klavierbauer Muzio Clementi (1752 – 1832) und anderen Partner gewesen.

Muzio Clementi (1752 - 1832) by Thomas Hardy in 1794 - Eric Feller Collection

Muzio Clementi (1752 – 1832) by Thomas Hardy in 1794

 

Der Familienname Collard lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Die damalige Schreibweise folgte noch der angelsächsischen Schreibweise Colleart. Im Ursprung leitet sich der Name vom Vornamen Nicholas (Nikolaus) ab. Eine gebräuchliche Verkleinerungsform des Namens Nicholas war Col. Das Suffix „ard“ war ein normannisch-französisches Suffix, das „Sohn von“ bedeutete. (vgl.: P. H. Reaney, R. M. Wilson, A Dictionary of English Surnames. London: Routledge, 1991)

Eine andere Quelle stellt fest, dass der Name „vom angelsächsischen Col, [bedeutet] ein Helm, und schwer zu hören“ abgeleitet worden sein könnte. (vgl.: Lower, Mark Anthony, Patronymicy Britannica, A Dictionary of Family Names in the United Kingdom. London: John Russel Smith, 1860)

Colleart wurde über die Zeit auf viele verschiedene Arten geschrieben. Bevor die englische Schreibweise in den letzten hundert Jahren standardisiert wurde, waren verschiedene Schreibweisen von Namen üblich. Als sich die englische Sprache im Mittelalter veränderte und Teile des Lateinischen und Französischen sowie andere Sprachen aufnahm, änderte sich auch die Schreibweise der Namen der Menschen erheblich. So gab es viele verschiedene Schreibweisen des Namens Colleart, darunter Callard, Collard, Collarde, Colard, Colarde, Cullard, Collart, Collerd und viele weitere Versionen.

Frederick William Collard by Charles Turner, after James Lonsdale - National Portrait Gallery London

Frederick William Collard by Charles Turner, after James Lonsdale – National Portrait Gallery London

 

Frederick William Collard war zusammen mit seinem Bruder der Sohn von William und Thamosin Collard. Er wurde in Wiveliscombe, Somerset 1772 geboren und am 21. Juni 1772 getauft. Er ging im Alter von 14 Jahren nach London und erhielt eine Anstellung bei Longman & Broderip. 1795 gerieten Longman & Broderip in kommerzielle Schwierigkeiten und eine neue Firma, bestehend aus J. Longman, Muzio Clementi, Frederick Augustus Hyde, Frederick William Collard, Josiah Banger und David Davis gründete sich. Ab 1798 wurden dann Instrumente unter den Namen Longman, Clementi & Company verkauft. Am 28. Juni 1800 zogen sich Longman und Hyde aus dem Geschäft zurück und Clementi begann, nachdem Longman erneut ins Gefängnis gehen musste, Instrumente unter seinem eigenen Namen herzustellen. James Longman starb im November 1803 im Gefängnis.

Trade Card - Muzio Clementi 1802, © The Trustees of the British Museum

Trade Card – Muzio Clementi 1802, © The Trustees of the British Museum

 

Muzio Clementi arbeitete eng mit seinem Partner Frederick William Collard zusammen, was Briefe von Clementi an ihn bezeugen, die er während seiner ausgedehnten Reisen schrieb. Er beauftragte F. W. Collard immer wieder, geeignete Instrumente für ausgewählte Kunden auszusuchen. Außerdem erhielt er die Vollmacht von Clementi, an Beethoven für das Veröffentlichungsrecht bestimmter Werke eine Zahlung zu senden.

William Frederick Collard by Thomas Goff Lupton, after James Lonsdale - National Portrait Gallery

William Frederick Collard by Thomas Goff Lupton, after James Lonsdale – National Portrait Gallery London

 

William Frederick Collard, der jüngere Bruder wurde ebenfalls in Wiveliscombe geboren und am 25. August 1776 getauft. Er hatte neben einem Talent als Klavierbauer und Erfinder auch eine Neigung zu Poesie und Literatur. Er wurde als Partner 1810 in die Firma aufgenommen. 1811 erhielt F. W. Collard das englische Patent Nr. 3481 für eine Verbesserung des aufrechten Klaviers. (vgl. Rosamond Harding, The Pianoforte ― its history traced to the Great Industrial Exhibition, 1851)

Am 24. Juni 1817 verließ Josiah Banger die Firma. 1821 meldete F. W. Collard das Patent Nr. 4542 für ein harmonisches Schwellwerk, bestehend aus einem zusätzlichen Steg und einem Holzblock, der nach oben oder unten bewegt werden konnte, um die Resonanzschwingungen der Nachlängen der Saiten zu steuern. Diese neue Art der Tonveränderung nannte Clementi „Harmonic Swell and Bridge of Reverberation.“ Dieses Patent stammte jedoch im Ursprung nicht von F. W. Collard. Clementi hatte diese Art der Tonveränderung Jahre zuvor in der Schweiz das erste Mal gesehen. Als Erfinder kann der Schweizer Christian Müller aus Bern angesehen werden, der genau das gleiche System schon 1784 verwendete. Ein Tafelklavier mit diesem System befindet sich ebenfalls in der Eric Feller Collection. Klicken Sie hier für weitere Informationen zu dem Instrument – Christian Müller, Bern 1784.

Die Partnerschaft zwischen F. W. Collard, W. F. Collard und Clementi lief am 24. Juni 1831 aus. Nach dem Tod von Clementi am 10. März 1832 übernahmen beide Brüder die Firma und es wurden Instrumente unter dem Namen „Collard & Collard“ hergestellt. Aufgrund der sehr hohen Reputation, die die Instrumente von Clementi genossen, warben die beiden Brüder damit weiter um das Geschäft zu intensivieren und keine Einbußen nach dem Tod Clementis zu erleiden. So fand sich unter dem Firmennamen noch der Zusatz „Late Clementi, Collard & Collard“. Ein ähnliches Marketing nutzen schon die beiden Schoene Brüder und warben im späten 18. Jahrhundert noch mit ihrem ehemaligen Geschäftspartner Johannes Zumpe. Ein Beispiel dafür finden Sie hier – Tafelklavier Schoene & Co. 1788 – Eric Feller Collection.

Hammerflügel Collard & Collard, London ca. 1843 - Eric Feller Collection (1)

Hammerflügel Collard & Collard, London ca. 1843 – Eric Feller Collection

 

Die beiden Brüder führten das Geschäft bis zum 24. Juni 1842 fort, als W. F. Collard in den Ruhestand ging. F. W. Collard, der damals als Einzelunternehmer fungierte, nahm seine beiden Neffen William Collard jun. und Charles Lukey Collard in Partnerschaft auf. Am 10. Dezember 1851 wurde die Manufaktur in der Oval Road in Camden Town völlig zerstört, jedoch wiederaufgebaut. Im Laufe der Firmengeschichte wurden viele Patente angemeldet, um sowohl die Mechanik als auch die Konstruktion der Instrumente zu verbessern. Die Firma gab 1834 das Geschäft als Musikverlag auf und beschränkte sich auf die Herstellung von Klavieren. Das Verlagsgeschäft wurde an Zenas Trivett Purday verkauft. 1858 erhielt sie den Auftrag, Signalhörner, Pfeifen und Trommeln an die Regimenter der East India Company zu liefern. Die Firma hatte lange Zeit ihren Sitz in der Tottenham Court Road.

W. Collard starb im Alter von 88 Jahren am 31. Januar 1860 in Cheapside. Er lebte seit seiner Ankunft in London dauerhaft im selben Haus. Sein Bruder W. F. Collard starb am 11. Oktober 1866 in Folkestone. Die Firma wurde weiter fortgeführt und produzierte weiter Instrumente. Interessant ist das kreisförmige Fabrikgebäude der Firma in der Oval Road in Camden Town, in der vor 22 hohen Fenstern die Werkbänke standen und in der Mitte des runden Baues ein Aufzug die Stockwerke miteinander verband. Diese Bauweise generierte nur minimale Kosten für Baumaterial und Ziegel, jedoch maximales Licht innerhalb der Fabrik.

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gab es einen kleinen Aufschwung in der Klavierindustrie, der jedoch bald durch den Aufstieg des Grammophons, des Kinos und des Radios beeinträchtigt wurde. Die Firma gab das Gebäude in der Oval Road in Camden Town in den 1920er Jahren auf und ihre runde Fabrik wurde im Laufe der Jahre von verschiedenen Firmen besetzt. 1929 wurde die Firma an die Chappell Piano Company in London verkauft, und der Name Collard & Collard wurde bis etwa 1960 geführt. Durch einen Brand im Jahr 1963 wurden jedoch leider alle Aufzeichnungen von Collard und Clementi zerstört, die bei der Firmenübergabe 1929 in den Besitz von Chappell Pianos übergingen.

© Eric Feller – Early Keyboard Collection – März 2022