Pleyel „Grand Modèle de Concert“ – Wanda Landowska 1928
Informationen

Datum: | 1928 |
Herkunft: | Paris |
Seriennummer: | 73F432 - 185.600 |
Wanda Landowska (1879 – 1959) war eine der einflussreichsten Musikerinnen des 20. Jahrhunderts und spielte eine zentrale Rolle in der Wiederbelebung des Cembalos. Ihr Name ist untrennbar mit der traditionsreichen Instrumentenmanufaktur Pleyel sowie mit der Renaissance des Cembalos im frühen 20. Jahrhundert verbunden. Nachdem das Cembalo über lange Zeit hinweg vom modernen Klavier verdrängt worden war, erkannte Landowska dessen klangliche und interpretatorische Möglichkeiten und widmete sich mit wissenschaftlicher Präzision dessen Erforschung, Rekonstruktion und Weiterentwicklung. Ihr tiefgehendes musikwissenschaftliches Interesse sowie ihre innovative Spielweise trugen dazu bei, das Cembalo als eigenständiges Konzertinstrument von hohem künstlerischem Rang zu etablieren. Durch ihre Pionierarbeit legte sie den Grundstein für die heutige historische Aufführungspraxis und prägte nachhaltig das Verständnis und die Rezeption barocker Musik. Ihr Einfluss reicht weit über ihre eigene Zeit hinaus und ist bis in die Gegenwart spürbar.
Zur Geschichte der Pleyel-Cembali
Die Pariser Weltausstellung von 1889 stellte einen bedeutenden Meilenstein in der Wiederentdeckung des Cembalos dar, da dort erstmals seit langer Zeit wieder Instrumente dieses Typs präsentiert wurden (es wurden historische Originalinstrumente wie Cembali, Spinette, Clavichorde und Tafelklaviere ausgestellt, unter anderem wurde auch ein Originalinstrument von Henri Hemsch aus dem Jahr 1755 gezeigt). Die Ausstellung fand vom 6. Mai bis zum 31. Oktober 1889 aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums der Französischen Revolution statt. Drei renommierte Firmen – Pleyel, Erard und Tomasini – stellten Cembali vor, die sich in ihrer Konstruktion an einem historischen Instrument von Pascal Taskin (1723 – 1793) orientierten.

Cembalo von Pascal Taskin, Paris 1769, St. Cecilias’s Hall Edinburgh
Dieses Cembalo, 1769 in Paris gefertigt und heute in der St. Cecilia’s Hall in Edinburgh aufbewahrt, wurde um 1880 vom Pariser Museum erworben und 1882 von Louis Tomasini restauriert. Im Rahmen dieser Restaurierung fertigte Tomasini eine Kopie an, die heute im Musikinstrumentenmuseum Berlin ausgestellt ist. Trotz einzelner durch Tomasini vorgenommener „Verbesserungen“ gilt sie als eine der ersten historischen Nachbildungen.

Business Card von Louis Tomasini, ca. 1889
Das originale Taskin-Instrument wurde zudem ebenfalls eingehend von der Firma Pleyel untersucht. Basierend auf diesen Studien und der Untersuchung weiterer historischer Instrumente entwickelte Pleyel ein neues Cembalo, das Elemente des modernen Klavierbaus integrierte. Dazu gehörten eine erhöhte Saitenspannung sowie eine stabilisierte Konstruktion mit verstärkten Querrippen in der Resonanzdecke, ähnlich denen eines zeitgenössischen Flügels. Die von Pleyel, Erard und Tomasini gefertigten Instrumente orientierten sich in Anordnung und Dimensionen am Vorbild Taskins: Sie verfügten über zwei Manuale mit einem Tonumfang von F‘-f“‚ (fünf Oktaven) sowie über zwei 8′-Register und ein 4‘-Register. Pleyel erweiterte sein Modell jedoch um sechs Pedale, weil man dem Spieler eine schnelle Möglichkeit des Registerwechsels bieten wollte. Ebenso wurde das Gehäuse zusätzlich verstärkt jedoch hatten die ersten Cembali der Anfangszeit noch keinen Stahlrahmen.
In einer Besprechung zu dem ausgestellten Cembalo von Pleyel bei der Pariser Weltausstellung heißt es in der „Revue des arts décoratifs“ von 1889 auf Seite 16:
- „ J’allais oublier de dire que la maison Pleyel expose aussi un superbe clavecin moderne, dont la valeur bénéficie naturellement de la supériorité de la facture actuelle sur celle du temps passé. Car on revient au clavecin, qui peut vivre en bon voisinage avec le piano, et qui reste fort utile, ainsi que l’ont prouvé les séances si intéressantes de M. Diéner, la musique écrite jadis par de grands maîtres pour cet instrument ne produisant nullement sur le piano, instrument au son ample et prolongé, l’effet cherché par le compositeur pour un instrument à sonorité sèche et douce à la fois. Ce clavecin est superbe et d’une sonorité exquise. Enfin, j’ajoute que la fabrication de la maison Pleyel a dépassé aujourd’hui le quatre-vingt-dix-septième mille, et qu’elle compte, avant un an, fêter la naissance de son cent millième piano ! Elle sera la première, dans le monde, à pouvoir célébrer un tel résultat.“
- « Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass das Haus Pleyel auch ein hervorragendes modernes Cembalo ausstellt, dessen Wert natürlich von der Überlegenheit der heutigen Handwerkskunst gegenüber der aus vergangenen Zeiten profitiert. Kommen wir nun zurück zum Cembalo, das eine gute Ergänzung zum Klavier darstellt und, wie die sehr interessanten Sitzungen von Herrn Diéner bewiesen haben, weiterhin sehr nützlich ist. Denn die Musik, die in der Vergangenheit von großen Meistern für dieses Instrument geschrieben wurde, erzeugt auf dem Klavier, einem Instrument mit breitem und lang anhaltendem Klang, in keiner Weise den Effekt, den der Komponist für ein Instrument mit einem zugleich trockenen und weichen Klang erzielen wollte. Dieses Cembalo ist hervorragend und hat einen exquisiten Klang. »
Begleitend zur Pariser Weltausstellung spielte der Pianist und Komponist Louis Diémier (1843 – 1919) erstmals Konzerte auf dem neu vorgestellten Cembalo.
Wanda Landowskas Interesse am Cembalo führte ab 1903/04 dazu, dass sie in ihren Konzerten gezielt Cembali der Firma Pleyel einsetzte, wodurch das öffentliche Interesse an diesem Instrument kontinuierlich wuchs. In enger Zusammenarbeit mit Pleyel arbeitete sie an der Entwicklung eines Cembalos, das sowohl ihren klanglichen Idealen und den Anforderungen historischer Aufführungspraxis als auch den Erfordernissen des modernen Konzertbetriebs gerecht wurde.
Die Kooperation zwischen Landowska, dem Chefingenieur von Pleyel, Monsieur Lamy, sowie dem damaligen Firmenleiter und Akustiker Gustave Lyon (1857 – 1936) mündete in der Entwicklung eines neuartigen Cembalotyps. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde am VI. Deutschen Bachfest der Neuen Bachgesellschaft vom 15. bis 17. Juni 1912 in Breslau erstmals öffentlich präsentiert: das Pleyel-Cembalo „Grand Modèle de Concert“, das auf der Dockenleiste den Namen Landowskas trug.

Pleyel Cembalo – Wanda Landowska – Grand Modèle de Concert, Paris 1828 – Eric Feller Collection (9)
Das neue Cembalo von Pleyel vereinte traditionell bewährte Bauweisen mit innovativen mechanischen Verbesserungen, die darauf abzielten, das Instrument hinsichtlich Stabilität, Lautstärke und Flexibilität zu optimieren. Dieses neu entwickelte Modell unterschied sich deutlich von seinen barocken Vorläufern und den Cembali der ersten Stunde von Pleyel seit der Pariser Weltausstellung 1889, insbesondere durch die Einführung eines Metallrahmens ab 1923, der zuvor in Cembali dieser Bauart noch nicht vorhanden war. Diese strukturelle Neuerung verbesserte nicht nur die Stabilität des Instruments, sondern ermöglichte auch eine erhöhte Saitenspannung, was zu einem kräftigeren und durchsetzungsfähigeren Klang führte. Darüber hinaus wurde die Mechanik des Instruments sorgfältig überarbeitet, wodurch die Ansprache der Tasten gleichmäßiger und die Kontrolle über die Klanggestaltung präziser wurde. Die Stimmwirbel wurden verbessert und man entwickelte die Doppelstimmwirbel, die eine absolut präzise und einfache Stimmung erlaubten. Die Register wurden durch Pedale aktiviert, was eine bequeme Handhabung ermöglichte. Ein weiteres markantes Merkmal des neuen Cembalos war die Einführung eines 16′-Registers, das auf den Wunsch Landowskas hin ab 1912 in alle Instrumente integriert wurde und dem Klangspektrum zusätzliche Tiefe verlieh.
Die Cembali wurden in zwei Ausführungen hergestellt:
- „Modèle Reduit“ – 6 Pedale (ohne 16‘ – Register), Umfang: AA – f3
- „Grand Modèle de Concert“ – 7 Pedale (mit 16’ – Register), Umfang : FF – f3
Ab 1968 fertigte Pleyel ein weiteres Model unter dem Namen „Modèle Trianon“ an. Hiervon wurden lediglich 3 Instrumente gebaut. Die Instrumente waren in einer modernen Ausführung gefertigt, hatten keinen Stahlrahmen mehr und auch kein 16‘ – Register.

Cembalo Pleyel „Modèle Trianon“
Maßgeblich an der Konstruktion des Cembalos war der bereits erwähnte Akustiker und Chef der Firma Gustave Lyon beteiligt. Auf ihn geht auch der Klangeffekt zurück, der durch die Konstruktion der Dämpfer erzielt wird und für die die Pleyel Cembali so berühmt sind. Wenn man auf einer der Klaviaturen ein 8-Fuß-Register spielt, schwingt das 8-Fuß-Register der anderen Klaviatur, sofern es perfekt gestimmt ist, ohne Dämpfung mit. Dieser Effekt ist einzigartig und trägt zum unvergleichlichen Klang dieser Instrumente bei.
Das Cembalo in der Eric Feller Collection
Das hier präsentierte Cembalo wurde im Jahr 1928 von der Firma Pleyel in Paris gefertigt und stellt das „Grand Modèle de Concert“ dar. Der Korpus des Instruments ist aus feinstem Palisander gefertigt, das durch präzise umlaufende Intarsien verziert ist. Während die Mehrheit der von Pleyel gefertigten Cembali aus Mahagoni bestand, wurden nur wenige Exemplare in Palisander ausgeführt. Es besitzt fünf Beine mit vergoldeten Sockeln sowie eine Lyra mit sieben Pedalen, die der Steuerung der Register dienen.

Pleyel Cembalo – Wanda Landowska – Grand Modèle de Concert, Paris 1828 – Eric Feller Collection (5)
Das Instrument verfügt über zwei Manuale und ist mit fünf verschiedenen Registern ausgestattet, die eine vielfältige klangliche Gestaltung ermöglichen:
- unteres Manual: 8′, 16′, 4′
- oberes Manual: 8′, 8′-nasal, Lautenzug für beide Register
- Manualkoppel
Die Verteilung der Register auf die Pedale erfolgt von links nach rechts wie folgt:
Pedal 1 | Pedal 2 | Pedal 3 | Pedal 4 | Pedal 5 | Pedal 6 | Pedal 7 |
Unteres Manual
16‘ – Register |
Unteres Manual
4‘ – Register |
Unteres Manual
8‘ – Register |
Lautenzug für beide 8‘ – Register (oberes Manual) | Manualkoppel | Oberes Manual 8‘ – Register nasal | Oberes Manual 8‘ – Register |
Das Einschalten der Register erfolgt „positiv“ oder „negativ“, d.h. bestimmte Pedale schalten, wenn sie nach unten getreten sind, andere durch lösen nach oben.
Aufgrund der Disposition ergeben sich bis zu 55 verschiedene Registrierungsmöglichkeiten. Folgende Kombinationen der Register sind möglich:
Schritt 1: Einzelne Manuale
Unteres Manual: 8′, 16′, 4′
→ Kann einzeln oder in Kombinationen genutzt werden:
- 8′
- 16′
- 4′
- 8′ + 16′
- 8′ + 4′
- 16′ + 4′
- 8′ + 16′ + 4′
- → 7 Kombinationen
Oberes Manual: 8′, 8′-nasal, Lautenzug
→ Kann einzeln oder in Kombinationen genutzt werden:
- 8′
- 8′-nasal
- 8′ + 8′-nasal
- 8′ + Lautenzug
- 8′-nasal + Lautenzug
- 8′ + 8′-nasal + Lautenzug
- → 6 Kombinationen
Schritt 2: Berücksichtigung der Manualkoppel
Wenn die Manualkoppel aktiviert ist, können beide Manuale gleichzeitig erklingen. Das bedeutet, dass jede der 7 Kombinationen des unteren Manuals mit jeder der 6 Kombinationen des oberen Manuals kombiniert werden kann.
Gesamtzahl der Registrierungsmöglichkeiten
Die Kombinationen ohne Koppelung sind:
- 7 (nur unteres Manual) + 6 (nur oberes Manual) = 13 Möglichkeiten
Mit Koppelung:
- 7 (unteres Manual) × 6 (oberes Manual) = 42 Möglichkeiten
Gesamte Anzahl möglicher Registrierungen:
13 + 42 = 55 verschiedene Kombinationen
Folgend sind alle Registrierungsmöglichkeiten aufgelistet:
- Registrierungen ohne Manualkoppel
Nur unteres Manual (7 Kombinationen)
- 8′
- 16′
- 4′
- 8′ + 16′
- 8′ + 4′
- 16′ + 4′
- 8′ + 16′ + 4′
Nur oberes Manual (6 Kombinationen)
- 8′
- 8′-nasal
- 8′ + 8′-nasal
- 8′ + Lautenzug
- 8′-nasal + Lautenzug
- 8′ + 8′-nasal + Lautenzug
- Registrierungen mit Manualkoppel (42 Kombinationen)
Jede der 7 Kombinationen des unteren Manuals kann mit jeder der 6 Kombinationen des oberen Manuals kombiniert werden:
- (8′) + (8′)
- (8′) + (8′-nasal)
- (8′) + (8′ + 8′-nasal)
- (8′) + (8′ + Lautenzug)
- (8′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (8′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (16′) + (8′)
- (16′) + (8′-nasal)
- (16′) + (8′ + 8′-nasal)
- (16′) + (8′ + Lautenzug)
- (16′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (16′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (4′) + (8′)
- (4′) + (8′-nasal)
- (4′) + (8′ + 8′-nasal)
- (4′) + (8′ + Lautenzug)
- (4′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (4′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 16′) + (8′)
- (8′ + 16′) + (8′-nasal)
- (8′ + 16′) + (8′ + 8′-nasal)
- (8′ + 16′) + (8′ + Lautenzug)
- (8′ + 16′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 16′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 4′) + (8′)
- (8′ + 4′) + (8′-nasal)
- (8′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal)
- (8′ + 4′) + (8′ + Lautenzug)
- (8′ + 4′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (16′ + 4′) + (8′)
- (16′ + 4′) + (8′-nasal)
- (16′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal)
- (16′ + 4′) + (8′ + Lautenzug)
- (16′ + 4′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (16′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′-nasal)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′ + Lautenzug)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′-nasal + Lautenzug)
- (8′ + 16′ + 4′) + (8′ + 8′-nasal + Lautenzug)
Der Korpusboden des Instruments ist nach unten geöffnet, und die Konstruktion basiert auf einem massiven Stahlrahmen ähnlich den modernen Flügeln der damaligen Zeit. Im Resonanzboden befindet sich eine vergoldete Rosette mit den Initialen „P“ und „C“, die das ästhetische Design des Cembalos zusätzlich akzentuiert und eine Reminiszenz an die historischen Cembali darstellt. Die Basssaiten sind umwickelt, was den Klang maßgeblich verstärkt. Die Springer bestehen aus Holz und sind mit Leder bekielt.
Eine bemerkenswerte Besonderheit dieses Cembalos sind die Wirbel: Jede Saite ist mit einem Doppelwirbel ausgestattet. Der erste Stift dient zur Grobeinstellung und ermöglicht diese durch eine Ratschenmechanik, die sich auf einem Gelenk am Stimmstock befindet. Hinter diesem Ratschenstift ragt ein kleiner Flügel heraus, der eine zweizinkige Gabelform aufweist. Zwischen diesen Zinken ist ein zweiter Stift positioniert, der fest in den Stimmstock geschraubt ist. Durch das präzise Auf- und Abschrauben dieses zweiten Stifts wird die Ratschenanordnung auf ihrem Gelenk in eine vor- und zurückschwingende Bewegung versetzt, was eine äußerst feine Einstellung der Saite ermöglicht. Obwohl der Ratschenmechanismus in der praktischen Stimmarbeit selten direkt verwendet wird, ermöglicht dieses System eine exakte Justierung der Stimmhöhe, die mit traditionellen Stimmwirbeln nur sehr schwer zu erreichen wäre. Diese sogenannten Mikrometer-Wirbel oder „Alibert-Wirbel“ wie sie bei Pleyel genannt wurden, wurden von dem Erfinder Jean-Pierre Alibert entwickelt und 1875 von Auguste Wolff (1821 – 1887) patentieren lassen.

Pleyel Cembalo – Wanda Landowska – Grand Modèle de Concert, Paris 1828 – Eric Feller Collection („Alibert-Wirbel“)
Die gesamte Konstruktion des Cembalos zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Präzision aus und reflektiert die hohen Produktionsstandards sowie das brillante Konstruktionssystem, das Pleyel bei der Fertigung dieses Cembalos angewendet hat. Das Vorsatzbrett ist signiert mit:
„Pleyel
Facteur à Paris
Fondé en 1807“
Ebenfalls findet sich auf der Dockenleiste die Signatur:
„Le Jeu grave dit par les Anciens „de 16 Pieds“ fut introduit dans les
Clavecins Pleyel à partir de l’année 1912, sur la demande & les suggestions de
Wanda Landowska.“
Das Instrument trägt die Seriennummern 73F432 und 185.600, die auf dem Stimmstock vermerkt sind. Ausgehend von diesen Nummern lässt sich anhand der Fertigungsbücher von Pleyel nachvollziehen, dass das Cembalo am 12. Oktober 1928 zu einem Preis von 33.536 Franc nach Amsterdam verkauft wurde. Unter Berücksichtigung der Inflation sowie des stabilen Umrechnungskurses würde dieser Betrag heute einer Kaufkraft von etwa 83.400 Euro entsprechen (Stand 2025). Zudem berechnete die Firma Pleyel eine zusätzliche Gebühr von 1.225 Franc für die Verpackung des Instruments. Laut den originalen Auslieferungsbüchern von Pleyel war der Käufer ein Musikhaus in Amsterdam.
Das Geschäft in Amsterdam verlieh das Instrument für verschiedene Konzerte und Aufnahmen. So existiert heute eine Aufnahme der 1945 gegründeten „Dutch Swing College Band“ des Songs „I’ve Found A New Baby“ aus dem Jahr 1954, in der das Cembalo zu hören ist. Cembalist bei der ungewöhnlichen Aufnahme war der Niederländer Joop Schrier (1918 – 1995). Um die Aufnahme zu hören, klicken Sie hier!
Die Bedeutung der Pleyel-Cembali heute und die „reduzierte Rastenbauweise“
Das „Grand Modèle de Concert“ von Pleyel war der entscheidenden Wegbereiter für die Wiederbelebung des Cembalobaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts und bildete den Ausgangspunkt für zahlreiche Entwicklungen in der Cembalobaukunst in Europa. Das konzipierte Modell etablierte sich als maßgeblicher Prototyp für die Konstruktion moderner Cembali und diente als vielfach repliziertes Referenzmodell, dessen qualitative Maßstäbe jedoch nicht wieder erreicht wurden. An dieser Stelle wird den Begriff der „reduzierten Rastenbauweise“ in diesen Ausführungen eingeführt, um eine genauere Unterscheidung der anderen Instrumente im Vergleich zu Pleyel darstellen zu können. Instrumentenbauer wie Maendler-Schramm, Neupert und Dolmetsch begannen, Instrumente nach den Cembali von Pleyel zu konzipieren oder waren dadurch maßgeblich inspiriert. In der frühen Entwicklungsphase zeigten diese Instrumente eine starke Anlehnung an die Cembali der Marke Pleyel, wobei ihre Konstruktionsweise, insbesondere die Rastenbauweise, nahezu identisch übernommen wurde. In der Bestrebung, Kosten zu senken, den Bauprozess zu vereinfachen, eine große Masse an Instrumenten in kurzer Zeit produzieren zu können oder klanglich zu experimentieren, entstanden die sogenannten Cembali in „reduzierter Rastenbauweise“. Diese wiesen nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit der ursprünglichen Konstruktion von Pleyel auf (und natürlich auch kaum Gemeinsamkeiten mit den späteren historischen Kopien). So fehlen bei diesem Typus von Instrumenten der Stahlrahmen, die Mensuren sind anders, Saiten sind teilweise nicht umsponnen, die Korpuskonstruktion ist leichter, der Unterboden ist teilweise geschlossen, die Dämpfung wurde verändert usw. Die vorgenannten Änderungen führten zu einer signifikanten Veränderung des Klangcharakters, der sich deutlich von den Pleyelschen Instrumenten unterscheidet.
Diese Instrumente (auch weil sie in einer großen Vielzahl produziert wurden, um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden) prägten die Klangvorstellung bis in die 1970er Jahre. Erst ab den 1970er Jahren begann man vielfach, historische Kopien von Originalinstrumenten zu fertigen, die sich heute als Standard in der historischen Aufführungspraxis etabliert haben.
Die Konstruktion von Pleyel überzeugt durch eine präzise Ausführung, die nicht nur hohe Qualitäts- und Entwicklungsstandards widerspiegelt, sondern auch ein ausgeklügeltes Fertigungssystem, das in der Herstellung dieser Instrumente angewendet wurde. Fast 100 Jahre nach der Herstellung, wie am Beispiel des hier beschriebenen Pleyel-Cembalos in der Sammlung, bleibt die außergewöhnliche Handwerkskunst erhalten. Diese durchdachte Fertigung gewährleistet eine akustische Leistung, die das Pleyel-Cembalo von anderen Cembali massiv unterscheidet. Durch die geniale Konstruktion entstehen eine Klangfülle und Vielseitigkeit, die absolut einzigartig ist und sich mit keinem anderen Instrument vergleichen lässt. Die Pleyel-Cembali basieren auf historischen Prinzipien, nutzen aber moderne Materialien, Bauweisen und Erfahrungen des modernen Klavierbaus, um eine größere klangliche Durchsetzungsfähigkeit zu erreichen. Im Vergleich zu anderen Cembali der „reduzierten Rastenbauweise“, ist der Klang durchaus als „historischer“ zu sehen, jedoch aufgrund der Konstruktion lauter und brillanter.
Warum also setzte sich die „reduzierte Rastenbauweise“ im 20. Jahrhundert so lange durch und prägte das Klangbild dieser ersten Generation in der historischen Aufführungspraxis während man die Konstruktionen von Pleyel nicht weiter baute oder eine größere Anzahl fertigte?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Ein zentraler Aspekt ist die wirtschaftliche Dimension. Betrachtet man die damaligen Produktionskosten eines Cembalos der Firma Pleyel sowie die hohe Nachfrage nach diesem wiederentdeckten Instrument, wurde es aus ökonomischer Sicht erforderlich, kostengünstigere Alternativen für den expandierenden Markt bereitzustellen. Dies führte zu einer Reduktion des konstruktiven Aufwands, wodurch eine preiswertere Fertigung ermöglicht wurde.
Ein weiterer relevanter Faktor ist die historische Rahmenbedingung des Zweiten Weltkriegs. Während der Kriegsjahre und in der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Verfügbarkeit hochwertiger Materialien stark eingeschränkt, sodass Instrumentenbauer gezwungen waren, auf weniger qualitative Werkstoffe zurückzugreifen oder sich anderer Lösungen zu bedienen.
Zudem befand sich der Cembalobau in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess, in dessen Verlauf sowohl klangliche Optimierungen als auch Anpassungen an historische Originale angestrebt wurden. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist das von Kurt Hutzelmann im Jahr 1967 gefertigte Cembalo, das sich ebenfalls in der Sammlung befindet. (Klicken Sie hier für weitere Informationen zu diesem Instrument!) Hutzelmann entwickelte eine Mechanik, die es ermöglichte, mittels eines Pedals die Dämpfer anzuheben – analog zur Dämpfungsaufhebung bei einem Klavier. Diese Konstruktion stellt jedoch keinen historischen Bezug zu den Cembali des 17. und 18. Jahrhunderts her, sondern reflektiert vielmehr den Versuch, klangliche Modifikationen im Sinne einer subjektiven Verbesserung vorzunehmen.
Mit dem Einsetzen der 1970er Jahre vollzog sich ein grundlegender Paradigmenwechsel im Cembalobau. Während zuvor der Fokus auf der schrittweisen Verbesserung des klanglichen Potenzials und der wirtschaftlich angepassten Bauweise lag, verlagerte sich das Bestreben zunehmend auf die exakte Replikation historischer Instrumente. Diese Entwicklung war eng mit dem wachsenden Interesse an einer authentischen Aufführungspraxis und einer historischen Klangforschung verbunden, die Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht in dem Maße existierte. Kulturelle und bildungspolitische Impulse begünstigten diesen Trend. Die Förderung historischer Aufführungspraxis an Hochschulen und durch kulturelle Institutionen verstärkte das Bewusstsein für die Bedeutung authentischer Instrumente. Dadurch erhielt der Cembalobau einen ideellen und pädagogischen Impuls, was zu einer verstärkten Erforschung und Innovation in diesem Bereich führte.
Die neuen Ansätze zielten darauf ab, die Konstruktionsprinzipien und klanglichen Eigenschaften der Instrumente des 17. und 18. Jahrhunderts originalgetreu zu rekonstruieren, wodurch die „reduzierte Rastenbauweise“, die über 50 Jahre den Cembalobau dominierte, in den Hintergrund rückte und heute als obsolet gilt.
Die Firma Pleyel schuf mit ihren Cembali Meisterwerke der Instrumentenbaukunst welche eine Brücke zwischen Vergangenheit und Moderne schlagen. Sie sind durchdacht, ausgeklügelt, innovativ und zukunftsweisend! So waren sie auch Auslöser und Inspiration für Komponisten des 20. Jahrhunderts, Stücke für diesen Instrumententypus zu komponieren (beispielsweise das „Concert champêtre“ von Francis Poulenc (1899 – 1963), welches er 1927/28 für Wanda Landowska schrieb).
Pleyel nutzte historische Instrumente als Anlass, die Konstruktion des Cembalos zu verbessern. Das Bestreben war nicht, ein historisches Instrument einfach nur zu kopieren, sondern das Cembalo weiterzuentwickeln. So heißt es im „Catalogue Pleyel, Wolff & Cie.“ aus dem Jahr 1892, Seite 11:
- « Pleyel, Wolff et Cie dans leur facture courante et, de plus, M. Lyon avait très habilement reconstitué le clavecin et le dotant de qualités que n’avaient pas les meilleurs instruments des siècles passés. Aussi, il faillait récompenser à la fois le mérite des inventions attachées au nom de Pleyel, les qualités de ses instruments et le goût artistique qui présidait à leur construction. A l’unanimité des mebres du jury international de la classe 13, un Grand Prix, la plus haute récompense mise à la dispension des jurys, a été décerné à la maison Pleyel, Wolff et Cie. »
- „ … und darüber hinaus hatte Herr Lyon das Cembalo äußerst geschickt rekonstruiert und ihm Eigenschaften verliehen, die selbst die besten Instrumente vergangener Jahrhunderte nicht besaßen. Es galt daher, sowohl die Verdienste der mit dem Namen Pleyel verbundenen Erfindungen als auch die Qualität seiner Instrumente und den künstlerischen Geschmack, der ihrer Konstruktion zugrunde lag, zu würdigen.“
Entstanden war ein neues Instrument welches für sich ein Alleinstellungsmerkmal zu allen anderen Arten von Cembali hat und so müssen diese Instrumente auch gesehen und eingeordnet werden! Immer wieder werden die Pleyel-Cembali heute mit anderen Instrumenten verglichen. Ein Vergleich wäre jedoch ähnlich wie der Versuch, zwei grundlegend unterschiedliche Objekte miteinander zu vergleichen, deren Eigenschaften nicht in einer Weise korrelieren, die einen fairen oder aufschlussreichen Vergleich zulässt.
Quellen:
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- de Vries, Willem „Sonderstab Musik: Organisierte Plünderungen in Westeuropa 1940-45“.
- Di Stefano, G.P. (2012). Pleyel after Pleyel. The instruments of Auguste Wolff and Gustave Lyon at Universal Exhibitions (1855-c.1905). MUSIQUE, IMAGES, INSTRUMENTS, XIII(XIII), 77-99.
- Elste, Martin: Die Dame mit dem Cembalo. Wanda Landowska und die Alte Musik. Katalog zur Sonderausstellung im Berliner Musikinstrumenten-Museum, Berlin 2009
- Glendon, Frank: Remembering Hilda Jonas. In: The Diapason – Harpsichord News. Dezember 2014.
- Gutmann, Peter. „Wanda Landowska: Revolutionary and Traditionalist.“ New England Review and Bread Loaf Quarterly, vol. 26, no. 4, 2005, pp. 143-152.
- Heyer, John Hajdu. „Wanda Landowska and Early Music: A Personal View.“ Early Music, vol. 14, no. 3, 1986, pp. 301-305.
- Hsu, Samuel. Wanda Landowska: The Woman and the Artist. Westport, CT: Greenwood Press, 1979.
- Jonas, Hilda: Harpsichord Festival Scheduled. In: The Harpsichord. Vol. III, No 4, 1970.
- Joseph, Charles M. Wanda Landowska: The Search for Authenticity. Ithaca, NY: Cornell University Press, 1991.
- Kallberg, Jeffrey. „Landowska and Her Circle: The Shared Aesthetics of Music and Art.“ In The Cambridge Companion to Wanda Landowska, edited by Mark Kroll, pp. 100-118. Cambridge University Press, 2021.
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- Oja, Carol J. Making Music Modern: New York in the 1920s. Oxford University Press, 2000.
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- Restout, Denise. Wanda Landowska: A Life in Music. New York: W.W. Norton & Company, 1981.
- Rosand, Ellen. „Wanda Landowska’s Aesthetic of Early Music.“ Early Music, vol. 14, no. 3, 1986, pp. 306-312.
- Rosenblum, Sandra P. Landowska: Wanda Landowska Remembered. Hillsdale, NY: Pendragon Press, 2000.
- Rubin, Ruth J. „Wanda Landowska and the Harpsichord Revival.“ In Women Making Music: The Western Art Tradition, 1150-1950, edited by Jane Bowers and Judith Tick, pp. 225-238. University of Illinois Press, 1986.
- Rosati, Vincent J. Wanda Landowska and Early Music: The Quest for Authenticity. Bloomington: Indiana University Press, 1998.
- Sauer, Theresa. „Wanda Landowska’s Contributions to the Early Music Revival.“ The Musical Quarterly, vol. 81, no. 2, 1997, pp. 201-224.
- Wolfgang Zuckermann: The modern harpsichord, twentieth century instruments and their makers. October House, New York 1969.
© Eric Feller – Early Keyboard Collection – März 2025
Länge: | 255 cm |
Breite: | 110 cm |
Höhe: | 31,5 cm |
Umfang: | 5 Oktaven (FF – f3) |
Mechanik: | Springermechanik mit Holzspringer und Delrin- und Lederbekielung |
Pedale: | 7 Pedale - 5 Register (unteres Manual: 8', 16', 4' – oberes Manual: 8', 8'-nasal) mit Lautenzug (oberes Manual), Manualkoppel |
Signatur: |
"Pleyel Facteur à Paris Fondé en 1807“ Auf Dockenleiste : « Le Jeu grave dit par les Anciens "de 16 Pieds" fut introduit dans les Clavecins Pleyel à partir de l'année 1912, sur la demande & les suggestions de Wanda Landowska. » |